Ich sehe meine Bilder individuell, genau wie Gemälde, wie man individuell verschiedene Gemälde betrachtet.
Man begreift diese Verschiedenheit, wenn man den Verlauf von der Waagerechten in die Senkrechte und von der Senkrechten in die Waagerechte als Gebärde nachvollzieht.
Die Verlaufsfigur ist ein Instrument, gleich Bild dieser Erfahrung. Thematisch ist nicht nur die je einzelne und als sich selbst auch noch so vollkommene Ansicht, sondern wie der Künstler es im Hinblick auf sein Kunstwollen angesprochen hat.
Hromadka 2014
Hintergrundgrafik: Abstrakt, Hromadka 1990 - 1991, Pyro-Grafik
Ohne Titel, 56 x 78 cm, Öl auf Leinwand,
drehbar 4/4 Hromadka 1998
Hau den Lukas , 56 x 78 cm, Öl auf Leinwand,
drehbar 4/4, Hromadka 1998
ZU DEN DREHBAREN BILDERN
Von Michael Münster-Schulz, Kunsthistoriker, Berlinische Galerie, Berlin 1986
Die drehbaren Bilder von Karl Hromadka sind für mich ein Grund ein paar Worte über Kunst zu verlieren. Vielleicht werden Sie mit dem einen oder anderen Kunst betrachten, an der Sie sonst achtlos vorübergegangen wären, so als ob sie gar nicht existiert.
Was Kunst ist kann ich nicht sagen. Andere haben es versucht und konnten uns diese Frage auch nicht erschöpfend beantworten. Ernst Bloch schreibt, dass ein Meisterwerk, das als Meisterwerk erkennbar ist, kein Meisterwerk ist. Walter Benjamin beschreibt den, der ein Gedicht versteht, als den, der ein Gedicht nicht verstanden hat. Das Unfertige in der Kunst ist ihr Fertiges und das Nichtausdefinierte ist ihre Präzision. Wie anders sonst könnte Kunst Angst, Verrat, Qual, Irresein, Verruchtheit, Liebe und Tod ausdrücken und benennen. Wenn ein Bild nur das benennt, was es darstellt, dann hat es nichts mit Kunst zu tun. Um es mit Max Liebermann zu sagen, wenn der hauchdünne Millimeter zwischen Apfel und dem Tisch auf dem er liegt, außer Acht gelassen wird, haben wir es nicht mit Kunst zu tun.
Kunst ist ein Spiegel. Der Künstler sieht seine Umwelt, er fühlt sie und reagiert auf sie in seiner Zeit und auf seine Weise, er malt sie. Er hält uns ein Spiegelbild unserer Welt und Person vor. Wir sehen es und es beginnt, wenn wir die Bereitschaft dazu haben, ein Akt des Selbstverständnisses. Nicht zufällig ist der Spiegel eine Metapher der Reflexion und zugleich ein Symbol des Todes.
Bei den Bildern von Karl Hromadka sehen wir Flächen, Farben und Formen. Wenn wir uns die Bilder eine Weile anschauen erkennen wir plötzlich Augen. Augen kennen wir als zum Gesicht gehörend. In der Renaissance während des Manierismus wurden auch Augen gemalt. Einzelne Augen auf Türme ersetzten die Sonnenuhr.
Nicht die Augen, sondern der Blick symbolisiert durch das Auge richtet sich als Symbol des inneren Blickpunkts fasziniert oder erschrocken auf eine Welt der Labilität und der Veränderlichkeit. Der Augenblick, oder wir sagen 'Augenblick', thematisiert Zeit. Denken Sie an Bilder von Salvadore Dali, in denen Zeit durch Uhren ausgedrückt mit Augen kombiniert werden. Auch bei Karl Hromadka sind die Augen als ein surreales Moment zu beschreiben. Schaue ich aber länger auf seine Bilder beginnt aus Flächen, Farben, Formen ein Kopf, ein Körper herauszuwachsen. Flächen werden zu Formen, Formen zu Flächen, Farben werden Formen oder verlieren an Form und werden zu Flächen. Nichts davon steht monoistisch, also für sich allein. Jedes Teil befindet sich in einem Abhängigkeitsverhältnis, in einem dualistischen Verhältnis zum Anderen. Dieser Dualismus setzt sich im Bild fort. Hinten korrespondiert eine hintergründige Gegenständlichkeit mit einer vordergründigen Ungegenständlichkeit, vorne. Ich betone, es ist durchaus möglich und bleibt letztendlich dem Betrachter überlassen die Bilder von Karl Hromadka der gegenständlichen, figurativen Malerei oder der abstrakten Malerei zuzuordnen.
Wenn die Wiener Sezession die Kunst der Freiheit und die Freiheit der Kunst fordert, so fordere ich mit großer Selbstverständlichkeit die Freiheit des Betrachters. Wenn ich die Wiener Sezession erwähne, dann mit dem Hinweis, dass Karl Hromadka Wiener ist.
Die Beziehung zwischen der hintergründigen Gegenständlichkeit und der vordergründigen Ungegenständlichkeit schöpft den Begriff Dualismus nicht aus. Viele der Bilder werden von einer Rahmenzone umgeben. Diese assistiert und dient der Hervorhebung des Innenbildes, erzeugt Plastizität, erzeugt Raum. Raum dringt in das Bild ein oder hebt sich aus dem Bild und geht auf den Betrachter zu. Die Rahmenzonen sind aber nicht ausschließlich formale, sondern auch inhaltliche Bereicherung. Sie thematisieren Kontraktion, Explosion, Ausstrahlung und Verdichtung, Befreiung und Besinnung.
Normalerweise ist der Betrachter gewohnt, dass Bilder eine ihnen zugewiesene Seite haben, also ein Unten und dem-entsprechend ein Oben, ein Links und ein Rechts. Dem widerspricht Karl Hromadka. Etliche seiner Bilder sind auf den Kopf zu stellen. Ja sogar, es lassen sich die Bilder um 90, 180 Grad etc. drehen. Die jedem Kunststudenten bekannte Tatsache, dass ein gutes Gemälde auf den Kopf gestellt seine inhaltlichen Qualitäten behält, erweitert Karl Hromadka um die Möglichkeit das Bild um einen rechten Winkel jeweils weiter kreisen zu lassen ohne jedoch, wie es bei jedem herkömmlichen Bild der Fall ist, die Gegenständlichkeit zu verlieren. Hier tritt ein Phänomen auf, das in der Kunstgeschichte nicht ganz unbekannt ist. Bilder, die von der Seite oder umgedreht betrachtet einen neuen plausiblen Gedanken oder Inhalt mitteilen, gab es in der Renaissance während der Phase des Manierismus. Der Manierismus ist eine antiklassische Ausdrucksform. Er will das Verborgene nicht in einer sublimierten Natur, sondern in einer emplematischen, in der Idee meist verformten Natur zur Wirkung bringen. Beispielsweise gilt als typischer Manierist A. Boldo. Er setzte ein Porträt, sogar ein Kaiserporträt aus Früchten zusammen. Ähnlich geht Karl Hromadka vor. Aus zunächst mit dem Menschen, dem menschlichen Wesen nicht in Einklang stehenden Formelementen bildet er zwei-dimensionale Körper, menschliche Körper.Diese stehen in einem emotionalen Zusammenhang der von freundlich bis feindlich reichen kann. Farbe ist nicht zufällig, sondern akzentuiert in emotioneller Hinsicht und unterstreicht somit die Gestik des Dargestellten. Aber die Farbe hat hier nicht nur dienenden Charakter, die Farbe hat hier, sorgfältig aufgebaut und komponiert, ihre eigene Aussage als Farbe. Eine spezielle Technik erzeugt eine farbliche Plastizität, wie wir sie aus der Nationalgalerie von einem Barnett Newman her kennen. Aus der Bestandsaufnahme der Welt entwickelt der Künstler eine Antwort, die wir zu Beginn als Spiegel bezeichneten. Dieses Spiegelbild beinhaltet die rationalen Elemente einer Durchorganisiertheit bis Vernetzung unserer Welt, aber auch irrationale Bereiche wie Weltflucht und Religion. Der Dualismus jener rational-irrationalen Beziehung in unserer Welt hat in den Bildern von Karl Hromadka Ausdruck gefunden.
Vor vierhundert Jahren beschrieb ein italienischer Dichter diesen dualist-ischen Zusammenhang.Es war der Humanist E. Tesauro (1591-1667). Das Bild ist eine reine Schöpfung des Geistes. Es kann nur aus der Annäherung von zwei mehr oder weniger voneinander entfernten Wirk-lichkeiten geboren werden. Je entfernter die Beziehungen dieser Wirklichkeiten zuein-ander sind, desto stärker wird das Bild sein. Dem Betrachter bleibt es über-lassen die Entfernungen der Wirklichkeiten zu messen und dann zu messen, wie stark Karl Hromadkas Bilder sind.
Der Engerling, Triptychon, 150 x 70 cm, Öl auf Leinwand, Hromadka 2018,
Seine malerische Entwicklung wird auch beeinflusst durch die visuellen Experimente mit der Kamera, einem schnellen Medium. Hier spielt das Spiel mit dem Licht eine elementare Rolle. "Licht fällt auf die Kunst, nicht auf den Künstler. Licht ist das eigentliche Motiv. Dieser Glanz wird zum eigentlichen künstlerischen Anliegen.“ Hromadka 2013
Der Trinker, 100 x 130 cm, Öl auf Leinwand,
drehbar, Hromadka 2003 - 2013
Black & White, 70 x 80 cm,
Öl auf Leinwand, Hromadka 1980
Faschistengeschwätz, 70 x 70 cm,
Öl auf Leinwand, Hromadka 2011 - 2012,
Das Gerücht, Öl auf Leinwand, Hromadka
Junge Frau, 38 x 122 cm, Öl auf Leinwand,
drehbar, Hromadka 1985
Die Brandstifter, Öl auf Leinwand,
60 x 80 cm, drehbar, Hromadka 1986
Das Schweinchen ist ein Huhn, Hromadka 2003 - 2014,
80 x 97 cm, Öl auf Spanplatte
Der Überflieger, 70 x 150 cm,
Öl auf Leinwand, Hromadka 1999/2016
Die Arroganz tritt die Masse mit Füßen, 50 x 134 cm,
Öl auf Hartfaser, Hromadka 30.07.90
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